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BLOG - LESE-ECKE

REINHOLD STECHER WÄRE 100

Mag. Josef Stock
geistlicher Konsulent im k+lv

 

Nachruf eines priesterlichen Mitarbeiters beim Gedenkgottesdienst im Sanatorium Hochrum am 06.02.2013

 

Das überwältigende Begräbnis am Lichtmesstag gab Kunde, dass ein ganz außergewöhnlicher Mensch heimgegangen ist. Reinhold Stecher war die „Verkörperung eines Bischofs, wie ihn die Kirche heute braucht!“. Mit diesen Worten ehrte sein Freund und Weggefährte, der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, unseren Verstorbenen anlässlich seines 90. Geburtstags. Bischof Reinhold war ein Mann aus dem Volk und ein Seelsorger für das Volk: hochbegabt, tiefgründig denkend, ausgestattet mit großer Herzlichkeit. Sein Bilderreichtum, sein Talent in der Sprache, sein Wortwitz hat beeindruckt und fasziniert immer noch, wenn wir einen seiner zahlreichen Artikel und eines seiner wunderbaren Bücher lesend meditieren. Im Malen hat er sein Inneres gleichsam in Farbe gekleidet und seine Spiritualität auf diese Weise offengelegt. Viele Menschen sind stolz auf ein „Stecher-Bild“ oder auf einen Brief von ihm. Ja, Bischof Reinhold liebte die Sprache in Bildern, und er erzählte Geschichten, die unvergesslich sind.

 

Ich möchte – zitternd und mehr als bescheiden, voller Respekt, aber in innerer Verbundenheit – drei kurze Bilder seines Vermächtnisses aufzeigen und damit ein wenig seiner Person nachspüren.

 

Ich gebe euch mit: die tiefe Klarheit eines Bergsees.

 

Die tiefe Klarheit des Bergsees. Der Bergsee hat so etwas wie Ruhe an sich, auch so etwas wie Durchschaubarkeit, zwei Eigenschaften, zwei Fähigkeiten, die uns guttun in Zeiten motorisierter Schnelllebigkeit und oberflächlicher Hektik. Bischof Reinhold hat ein Stück Bergsee ausgestrahlt: klar in seiner Rede, bestimmt in seinen Haltungen, voller Tiefe in seinem Denken. „Was willst du, aufgeregter, wichtigtuerischer Mensch?“, schreibt Bischof Reinhold in „Die Botschaft der Berge“: „Der Bach, an dem du vorbeigehst, hat seine Schlucht in Jahrmillionen gegraben. Der Stein, über den du stolperst, hat Eiszeiten und Kreidemeere gesehen. Die Wand, die über dir aufragt, ist tausend Mal älter als die Menschheit...“ Ja, die tiefe Klarheit, das Unermüdliche, das Gestalterische ist wie ein Bild des Ewigen. Das zeichnet den Heimgegangenen aus.

 

Nicht versiegt ist der Strom seiner karitativen Grundhaltung im Einsatz für Notleidende, ob für Schulen in Albanien, bei den Brunnenbohrungen in der Sahel-Zone oder in der Spontanhilfe bei bedürftigen Menschen in unserer Heimat. Sein bischöflicher Leitspruch „Dienen und Vertrauen“ hat hier ein menschliches, gütiges und überaus feinfühliges Antlitz bekommen. Altbischof Reinhold verdanken Ungezählte Bildung und Lebensqualität. Generationen von Priestern, Ordensleuten und Lehrern, Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche sind dankbar für seinen Einsatz als großer Vermittler von Herz und Verstand.

 

Ein zweites Bild: Die Zirbe.

 

Zirben – meist die letzten Bäume in den Höhen, unterhalb der Kare und Felszacken. Zirben müssen fest verwurzelt sein, denn auf der Höhe bläst ein eisiger Wind, ist auch die Vegetationszeit viel kürzer. Zirben trotzen den heftigen Stürmen, den eisigen Winden und den strengen Wintern. Nur der Mensch, der fest verwurzelt ist, kann es den Zirben gleichtun. Bischof Reinhold hat seine Lebenswurzeln tief ins Erdreich des Glaubens und des Gebets gesenkt. Von beiden, so Bischof Reinhold, lebt der Mensch.

 

Wenn Menschen feststehen in Gott, wenn sie Halt finden in der Botschaft der Schrift, dann kann kein so heftiger Gegenwind und kein so furchtbarer Schicksalsschlag so tiefe Wunden schlagen, dass man daran zugrunde geht. Feststehen in Gott. Reinhold Stecher hat immer wieder erfahren müssen, wie sehr sein Widerstand und seine Zähigkeit gefragt und gefordert waren, vor allem in den Zeiten der Gewaltherrschaft in unserem Land. Feststehen in Gott. Reinhold Stechers Standhaftigkeit ist es, die uns an ein Wort des Alten Testaments erinnert: „Der Mensch ist wie ein Baum!“ Der fest verwurzelte Altbischof lehrt uns, konsequent zu sein, einen klaren Weg zu verfolgen und für einen optimistischen Glauben einzutreten. Denn: Bischof Reinhold versinnbildlichte den in Gott verwurzelten Menschen und lebte vor, wie glücklich ein fest verwurzeltes Leben in Gott macht – und wie ausgeglichen dieses Leben sein kann. Der Mensch ist wie ein Baum.

 

Das Bild des klaren und tiefen Bergsees, das Bild der widerstandsfähigen und Sturm erprobten Zirbe –

und noch ein drittes Bild: die funkelnde Strahlkraft des Sternenhimmels.

 

Über allem thront der Himmel. Dieses Bild lässt uns ganz bescheiden werden. Denn wir alle sind doch nur wie ein Funke im Vergleich zur unerreichten Größe des Universums, das Gottes Weisheit widerspiegelt. Er hat uns gelehrt, dass die wunderbare Klarheit des Himmels und das Funkeln der Sterne uns an unser kleines Wesen erinnern. Und trotzdem, wir sind groß, weil Gott uns liebt. Reinhold Stecher hat uns diese Botschaft vor Augen geführt. Und das Sternenbild lässt uns hinschauen auf ein Wort der Lesung, das Gottes Obsorge entfaltet: Wie ein Hirte sich um die Tiere seiner Herde kümmert, so kümmere ich mich um meine Schafe...

 

Als guter Hirte war Bischof Reinhold ein Fixstern im Meer der Zeit, ein Brennpunkt, an dem man sich orientieren konnte, ein Leuchtturm, der die Richtung weist. „Am Gipfel, wo die Welt zu Ende geht und wo über uns nur mehr der weite Himmel steht und die Wolken ziehen, wächst aus dem Blick in die Tiefe und Weite die Frage nach dem Sinn des Ganzen“, so ein Text aus „Die Botschaft der Berge“ (80).

 

Als Priester und Bischof und als Mensch hat Reinhold Stecher Jahrzehnte seines Lebens gewirkt und hat wie ein Fixstern vielen Menschen Weg und Richtung gezeigt. „Ich werde meine Schafe auf die Weide führen, ich werde sie ruhen lassen – Spruch Gottes des Herrn.“ (Ez 34, 14)

 

Tiefgang, Zähigkeit und Strahlkraft. Drei Bilder, die mit seinem Leben eng verknüpft sind, getragen von seiner Treue zu Christus, dem guten Hirten, und getragen von der unausrottbaren Hoffnung auf das ewige Leben. Ich erinnere mich noch gern an jenen tiefblauen, von der Sonne durchfluteten römischen Spätherbsthimmel, als es unserem Bischof gegönnt war, dass sein ehemaliger Religionslehrer Otto Neururer seliggesprochen wurde. Selten habe ich ihn so strahlen gesehen. Diese Seligsprechung Ende November 1996 war wie eine Bestätigung seines eigenen Lebens.

 

Reinhold Stecher beginnt und beschließt sein Buch „Spätlese“ mit einem wunderbaren Bibelzitat aus dem alttestamentlichen Hohelied (8,6): „Stark wie der Tod ist die Liebe...“ Bezeichnend für sein Leben!

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Hermann Muigg-Spörr
01.12.2021 16:37

Danke Josef für den Nachruf

Besten Dank für diese gelungenen Zeilen!
Ich habe die Freude und Ehre Reinhold Stecher noch persönlich kennen gelernt zu haben (Wanderung Brenner - Innsbruck, Leitung Katholische Jugend)! Er war beeindruckend mit seinen Worten - nah am Himmel - und beeindruckend, weil er ein Mensch mit beiden Beinen am Boden war (Pause und Jause im St. Jakob Kirchl).
Danke Josef, das Du mit Deinen und seinen Worten an diesen tollen Menschen und Bischof erinnerst!
Hermann
KATHOLISCHER TIROL LEHREREVEREIN