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BLOG - LESE-ECKE

Sterben und Tod gehören zum Leben

Martina Neuner
Lehrerin im Elisabethinum

Diesen Satz hören wir immer wieder oder verwenden ihn sogar selbst. Doch sind wir vorbereitet, wenn folgende Fragen uns gestellt werden bzw. wir sie uns selbst stellen?

  • Wohin kommt der Opa, wenn er gestorben ist?
  • Warum verbrennen wir tote Menschen?
  • Warum hat meine Tante Krebs?
  • Ist nach dem Tod alles vorbei?
  • Warum gibt es Krankheiten, die nicht geheilt werden können?
  • Warum macht mich der liebe Gott nicht wieder gesund?
  • Wenn ich nur noch einen Tag zu leben hätte, was würde ich machen?
  • Bin ich für den „Notfall“ gerüstet – habe ich eine Patientenverfügung?
  • Habe ich mein Testament schon geschrieben?
  • Schaffe ich es, mit meinen Eltern darüber zu reden, wie sie sich ihr Sterben vorstellen bzw. was sie sich wünschen würden?
  • Jeder Tag kann mein letzter sein – lebe ich mein Leben auch so?

Bei mir waren es genau solche Fragen, die mir von außen gestellt wurden. Und zwischendurch habe ich sie mir selbst auch immer wieder gestellt. Die Antworten darauf fielen mir teilweise sehr schwer und so merkte ich, dass ich mich mit diesem Thema wohl noch mehr auseinandersetzen muss. Ich entschied mich deshalb schon vor vielen Jahren, die Ausbildung „Lebe-, Sterbe- und Trauerbegleitung“ der Caritas zu absolvieren. Neben theoretischem Hintergrundwissen und vielen praktischen Inputs stand bei dieser Ausbildung vor allem die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, den eigenen Gedanken, Ängsten und Hoffnungen im Umgang mit Sterben und Tod im Vordergrund. Dies war für mich sehr herausfordernd und hat mein weiteres Leben sehr geprägt.

Seither habe ich einiges erlebt, das mich geprägt und Auswirkungen auf meine Arbeit und mein privates Leben hatte und hat.

  • Ich konnte meine Schwiegermutter bis zu ihrem letzten Atemzug zu Hause begleiten. Ich bin ihr zutiefst dankbar für das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte, als sie entschied sich auf ihrem letzten Weg von mir begleiten zu lassen. Dies war wohl das größte Geschenk, das sie mir machen konnte. Auch wenn es auf diesem Weg viele schwierige Situationen gab, so überwiegen im Rückblick doch sehr viele schöne, vor allem tiefe und prägende Momente.
  • Auch in meinem beruflichen Umfeld begleitet mich diese Thematik durch das Jahr: rund um Allerheiligen gestalten wir verschiedene Stationen im Haus, bei denen sowohl Schüler_innen als auch Erwachsene sich mit den Themen Abschied, Trauer und Tod beschäftigen.
  • Wir haben in unserer Einrichtung eine Trauerbox. Wenn ein*e Mitarbeiter*in, ein*e Schüler*in, ein*e Angehörige*r oder eine andere Bezugsperson stirbt, wird diese Box geholt. Darin befindet sich alles, was man für ein Abschiedsritual in der Klasse braucht. Die Planung eines möglichen Ablaufes, weiterführende Ideen, Bilderbücher und vieles mehr sollten den Mitarbeitern*innen nützlich sein. Bei konkretem Interesse bitte ich um Kontaktaufnahme.
  • Seit 1,5 Jahren bin ich ehrenamtliche Hospizbegleiterin und darf dort Menschen in den unterschiedlichen Situationen begleiten. Von Menschen in schwierigen Situationen kann ich oft Optimismus, Zufriedenheit und Dankbarkeit lernen. Auch ihr Hadern und Kämpfen mit den verschiedenen Schicksalen hat mein Leben geprägt. Am meisten beeindruckt mich jedoch die Offenheit und Klarheit, die gerade bei älteren Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen, so spürbar ist. Da geht es nicht mehr um Smalltalk, um Titel, Geld, Ansehen – nein, hier zählt ganz allein die Begegnung von Mensch zu Mensch! Hier ist mein „Da -sein“ wertvoll, ganz ohne Leistung, Wissen und Perfektion.
  • Ich begleite Schüler*innen mit komplexen Behinderungen und deren Eltern. Gerade bei ihnen ist oftmals das Thema Tod allgegenwärtig. Sie brauchen Personen in ihrem Umfeld, die es aushalten darüber zu sprechen, Ängste wahrnehmen und auch in der Trauer begleiten.
  • Ich nehme jeden Tag ganz bewusst als Geschenk wahr und bin durch viele Begegnungen mit Menschen in schwierigen Situationen gelassener und ruhiger geworden.

Bei meiner Ausbildung zur Körperbehindertenpädagogin setzte ich mich im Rahmen meiner Abschlussarbeit dann nochmals theoretisch mit den Themen Leben, Sterben und Tod auseinander. Dies ermöglichte mir neue, tiefere Einblicke und Erkenntnisse. Bei der Auseinandersetzung mit unterschiedlicher Literatur bekam ich weitere Ideen und fand zu manchen Problemstellungen neue Ansätze. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass ich Menschen in schwierigen Situationen nur begleiten kann, wenn ich mich selbst mit diesen Themen auseinandergesetzt habe und mich selbst sicher fühle. Dies, glaube ich, gilt vor allem auch für uns Pädagogen*innen – wir können die Themen Sterben und Tod mit den Kindern und Jugendlichen nur ansprechen, wenn wir uns selbst im Vorfeld damit auseinandergesetzt haben.

Für mich stellen sich bei dieser Auseinandersetzung immer wieder neue Fragen:

  • Wie können wir es schaffen, dass trauernde Menschen wieder mehr Schutz und Unterstützung in der Gesellschaft bekommen?
  • Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, dass es bald auch in Österreich möglich sein wird, sich Hilfe zum Suizid zu holen und wo sind hier die Grenzen einer freien Entscheidung?
  • Wie schaffen wir es, dass Menschen gerade am Ende des Lebens nicht alleingelassen werden?

Ja – Sterben und Tod gehören für mich zum Leben dazu und ich bin froh darum, dass ich mich durch verschiedene Umstände damit auseinandersetzten musste, denn dadurch habe ich gelernt mein Leben bewusster zu leben und zu genießen.

 

Fragen stellen - 2019

Martina stelle an ihrer Schule Fragen und alle konnten mit Post-its antworten. - siehe auch Bilder.

Fragen zum Thema Abschied, Tod und Trauer 2019

Traurigkeit hat viele Gesichter. Wie sieht deines aus?

  • Ich muss weinen. Ich war traurig, als die Mama Oma gestorben ist
  • traurig      

Welche Farbe hat die Trauer?

  • lila (2mal)
  • rot (2 mal)
  • schwarz (7 mal)
  • blau (2 mal)

Wie möchtest du gerne bestattet werden?

  • in einem Sarg
  • egal
  • egal ( man merkts so oder so nicht) 
  • verbrennen Urne
  • Sarg /Erdgrab
  • ich will nicht verbrannt werden
  • Urne
  • als Prinzessin
  • egal – Hauptsache nicht im Museum ausgestellt
  • wenig Kosten

Wird man unter der Erde wirklich zu Erde? Und wie?

  • Ja, man verrottet, weil es der Lauf der Natur ist
  • Ich glaube ja. Einfach so.
  • JA
  • Ja indem man zerfällt (eher zu Dünger)
  • Ja, weil man dann nicht isst oder trinkt, so trocknet man aus
  • Nein, zu einem Skelett
  • Man verwest, übrig bleiben die Knochen

Kann man einen Toten irgendwie wieder lebendig machen?

  • nein  (3 mal)
  • nein, ganz klar nein
  • in Ausnahmefällen ja
  • nein einfach tot
  • nein, geht nicht 

Lebt man nach dem Tod irgendwie weiter?

  • nein (3 mal)
  • irgendwie schon – zwar nicht auf der Erde aber im Paradies
  • im Himmel lebt man schon. Oder ich glaube man lebt nimmer
  • in Millionen Jahren wieder
  • nur durch Gott
  • Ja im Herzen. Wir sprechen auch nach 40 Jahren noch von meiner Mama
  • ja (2 Mal)

Wie können die Toten unter der Erde atmen?

  • gar nicht
  • nein, der kann nicht mehr schnaufen
  • sind tot – brauchen keine Luft
  • nein (2 mal)
  • unter der Erde nimmer, aber im Himmel dann

Tut tot sein weh?

  • tot sein tut dem Toten nicht weh
  • KA, ich glaube nein
  • nein (4 mal)
  • nein, tut nicht weh – Gott
  • weiß nicht, hab noch nie ausprobiert
  • man ist erlöst
  • ja das tut richtig weh

Wie stellst du dir den Himmel vor?

  • gelb, orange 
  • rot, gelb, grün
  • ganz, ganz oben sich alle Menschen, die jemals gelegt haben und alle sind unsterblich und glücklich. Und ganz oben sitzt Gott und wacht über das alles, aber man kann es nicht sagen, weil man nicht zurückkommt, weil der Tod keinen freigibt.
  • Wenn ich an den Himmel glauben würde – ein Raum zwischen Raum und Zeit
  • rosa, blau
  • ähnlich, es gibt halt kein Essen oder Klo, weil es man dort nicht braucht
  • schön
  • hell und dunkel
  • da geht es Oma wieder gut
  • gar nichts stelle ich mir vor – lasse mich a bissl überraschen
  • alle Wünsche gehen in Erfüllung
  • wie in einem schönen Garten

Wer oder was hilft dir, wenn du traurig bist?

  • die Mama
  • Freunde
  • Puppenhaus spielen
  • ich mir selbst (2 mal)
  • ablenken
  • Meine Mama, sie redet mit mir
  • Kuscheltiere, Mama, Papa
  • kleiner roter Traktor
  • mein Papa
  • niemand, ich rufe Hilfe – ein Erwachsener kommt
  • meine Mama

Wann warst du das letzte Mal traurig – und warum?

  • als Locke (Kuh) gestorben ist
  • als Doris in den Krankenstand gehen musste
  • wen der Andere weh tut 
  • so halt einmal
  • bei der Taufe, weil so viele Omas da waren und ich leider keine mehr habe
  •  weil mein Opa gestorben ist
  • Geburtstagsmesse von Oma und Opa
  • beim ersten Tag in der Schule, weil ich meine Freunde nicht mehr sehen konnte
  • Oma ist gestorben
  • Obwohl auf Wolke 7 – kann man trotzdem traurig sein

Warum müssen Menschen und Tiere überhaupt sterben?

  •  weil sie alt werden
  • Zellen werden schlechter, alt
  • Organe werden alt; Organfunktion nimmt ab – keiner kann ewig leben
  • weil das Herz irgendwann nicht mehr schlägt
  • ohne gesund; hat sich einfach so entwickelt
  • weil sich die Zellen so abnützen. Weil man älter wird und die Zellen sich so abnützen, dass es irgendwann einfach nicht mehr geht. Und die Zellen zerfallen irgendwann zu Staub, weil sie sich so abnützen
  • weil sie alt werden, weil sie krank werden, weil sie einen Unfall haben
  • alt oder krank
  • es ist so 
  •  weil Menschen alt werden, Unfall, krank sein, einfach einschlafen

Kommen Tiere in den Himmel?

  • Ja, aber man kann wieder nicht sagen
  • nein
  • ja (2 mal)
  • in den Katzenhimmel
  • in den Tierhimmel 
  • Ja, meine Meerschweine, Katzen und Hunde kommen sicherlich in den Himmel
  • in einen anderen Himmel
  • ja, mit uns gemeinsam
  • die Seele geht in den Himmel
  • ja, die Tiere sind im Himmel

Was passiert nach dem Tod?

  • vorbei mit Leben
  • Dann wird es entschieden, ob du in den Himmel oder Hölle kommst
  • im Himmel
  • gar nichts
  • Man kann es nicht sagen. Sonst müsste man sich selbst umbringen, das wäre nicht gescheit
  • man kommt wieder auf die Welt
  • ewige Leere aber Verständnis für „Leere“ ist auch weg
  • viele sind traurig

Bevor ich sterbe, möchte ich dir sagen…

  • ich weiß es nicht, mache ich spontan
  • zufällige letzte Worte
  • ihr sterbt auch irgendwann – Hähä
  • ich werde dich vermissen
  • ich hoffe, dass ich bei Oma bin und bei Papa
  • Ich habe dich lieb!
  • Mama und Papa tschüss, ich liebe euch!
  • Papa, bitte mache einen Schokoladekuchen
  • Ich liebe Dich! (Mama und Papa)
  • Ich hab dich gern (Freundin)

Wie lange dauert Traurig – sein?

  • unterschiedlich lange, kommt auf die Situation darauf an
  • verschieden
  • oft länger und manchmal nicht so lange
  • unterschiedlich, solange man halt traurig ist
  • so lange
  • traurig sein kann lange sein
  • solange, wie ich traurig bin …ca. 3 Wochen

Ist es kalt unter der Erde?

  • ja – kalt/nass
  • wenn ich tot bin, bin ich selber kalt
  • nicht kalt
  • ja, geht darum wie tief
  • ja
  • wenn man lange drinnen liegt schon, aber das kann man wieder nicht sagen, weil keiner von unter der Erde war, Gott sei Dank
  • physikalisch gibt es kein unter der Erde

Wie passt ein Mensch in eine Urne?

  • wenn man nur das Herz in die Urne legt, dann geht`s 
  • ich weiß es nicht
  • Wenn er verbrannt worden ist, passt die Asche in eine Urne, aber ein ganzer Mensch wird niemals hineinpassen.
  • Wenn man stirbt trocknet man aus und wird kleiner davon.
  • Durch Verbrennen werden viele Zellen in die Luft gebracht – dadurch sinkt dein  Volumen
  • Mensch wird verbrannt und seine Asche kommt in die Urne
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Martina Treichl
02.11.2021 08:30

Letzendlich wird alles gut

Liebe Martina,
danke für Deine Worte, die so wertvoll sind. Ich habe auch festgestellt, je mehr man sich selber mit diesem Thema beschäftigt, desto "einfacher" wird es darüber zu reden und den SchülerInnen in diesem Thema Hilfe anzubieten. Der Tod gehört einfach zum Leben dazu. Man wird nicht mehr so sehr überrumpelt, wenn Kinder deine genannten Fragen stellen.
Danke, dass du über die Wichitgkeit, sich im Leben mit dem Tod zu beschäftigen, geschrieben hast.
Liebe Grüße
Martina
Bellony Ulrike
01.11.2021 11:27

Danke!

Liebe Martina!
Danke für deine schönen Gedanken und Anregungen.
Ich habe dich ja schon mehrmals bei Birgit begegnet.
Ich wünsche dir noch eine schöne Herbstzeit!
Liebe Grüße
Bellony Ulrike
KATHOLISCHER TIROL LEHREREVEREIN